
„10 Uhr NORDSÜD. Prima, parallel läuft nur RAVENSBURGER. Da war ich gestern schon. Nach NORDSÜD ganz schnell zu JACOBY UND STUART - Ich liebe ‚Trauriger Tiger toastet Tomaten‘. Ach ja, und zwischendurch essen! Aber ja nicht vergessen, sich 11 Uhr eine Stunde früher bei MAGELLAN anzustellen! Das Gleiche gilt natürlich auch um 13 Uhr für THIENEMANN. Essen! Die freundliche Lektorin von NORDSÜD sagte, ich passe zu ARENA. Ok, 15 Uhr ARENA. Huhu, was ist denn mit essen?? Schaffe ich dann um 16 Uhr noch SÜDPOL? Ach Mist, gleichzeitig hat KNESEBECK auch seine Illustratoren-Sprechstunde. Hungeeeer!!! Und wann mach ich OETTINGER, LOEWE und EMF??? Verdammt, jetzt iss doch bitte endlich etwas!“
So oder so ähnlich pingpongte es in den Köpfen der vielen, vielen Illustratoren auf der Frankfurter Buchmesse 2019 im Rennen um die Plätze in den Illustratoren-Sprechstunden der Kinderbuch-Verlage. Auch meine ersten Auftritte in der Höhle der Löwen liegen hinter mir und ich ziehe noch im Zug sitzend ein Fazit. „S - I - T - Z - E - N - D“. Ein viel zu schnörkeloses Wort für eine so herrrlich angenehme Körperhaltung. Noch nie habe ich mich mehr nach einem Wartemarkensystem gesehnt. Die endlosen Warteschlangen für die begehrten Audienzen dienen wohl als Selektionsmechanismus bei der Auswahl von zähen Illustratoren mit Durchhaltevermögen. „Survival of the fittest“. Aber die kluge Mittdreißigerin hat nicht nur ein Portfolio zum Auf- und Zuklappen dabei, sondern auch Klappstuhl und Klappstulle. Und so klappt es schließlich mit dem Durchhalten. „Durchhalten“ ist ohnehin DAS Illustratoren-Mantra. Denn wer erfolgreich für Kinderbuchverlage illustrieren möchte, braucht in der Regel einen langen Atem. Der Durchbruch kommt selten über Nacht. Ein markanter Stil, der dem aktuellen Angebot des Verlags ähnelt, aber nicht gleicht, der frech, aber nicht zu schräg, niedlich aber nicht kitschig ist, gern digital umgesetzt werden kann, aber nicht digital aussehen darf, will in Ruhe reifen.
Für mich war die Buchmesse ein teilweise harter, aber ganz wichtiger Realitätscheck. Ich habe vorher monatelang abends wenn das Kind schlief „Schein“-Illustrationen gezeichnet, ohne zu wissen, für wen genau, was genau, wie genau. Das sieht man meinem Portfolio auch an, wie ich nach der Messe verstehe. Dank der Rückmeldung der wirklich freundlichen Lektoren weiß ich jetzt, wer meine Zielgruppe sein könnte und in welche Richtung ich meinen Stil entwickeln sollte, um in bestimmte Verlage zu kommen. Ich habe eine Bandbreite von Kinderbüchern an den Verlagsständen gesehen und kann zukünftig viel zielgerichteter arbeiten.
Vor der Löwenhöhle stehen außerdem die tollen Kollegen. Das viele Warten führt zu einem regen Austausch zwischen den Künstlern von Angesicht zu Angesicht, ohne Social Media, ganz direkt. Für Branchen-Küken wie mich waren diese Gespräche von unschätzbarem Wert. Was habe ich in der kurzen Zeit alles kennengelernt: fantastische Kunst in allergrößter Vielfalt auf hohem Niveau, eine absolute Offenheit, sich gegenseitig zu unterstützen, Lebensgeschichten, Erfolgsgeschichten, zweite und dritte berufliche Standbeine neben der Kinderbuchillustration, sowie Trost und gemeinsame Freude nach einer Illustratoren-Sprechstunde.
Was will ich euch damit sagen - ihr, die zweifelt, ob ihr schon bereit seid, euch bei einer Buchmesse als Illustratoren zu zeigen? Fahrt! Die Kritik der Lektoren kann beflügelnd sein oder verwirrend oder frustrierend oder alles zugleich, der Blick auf die Arbeiten der Kollegen inspirierend oder einschüchternd und der lange Weg zum Erfolg mag abschrecken. Es ist wie immer im Leben: Du bestimmst, was du daraus machst. Mich hat die Messe-Erfahrung bestärkt, den Weg zur erfolgreichen Kinderbuch-Illustratorin weiterzugehen. Ich fühle mich auf diesem Weg nicht mehr allein, sondern als ein Teil der herzlichen Illustratoren-Community. Vielen Dank an alle, die dabei waren bei der Frankfurter Buchmesse 2019. Ich sitze auch im nächsten Jahr wieder in der Schlange, mit bunter Bluse und all meinen Klapputensilien und halte euch den Platz frei, wenn ihr zur Toilette müsst.